Einige der ersten Fragen, die wir gestellt bekommen, wenn wir erzählen, dass wir unbefristet durch die Welt reisen wollen, drehen sich um die Finanzen. „Wie könnt ihr euch das den leisten? Habt ihr schon einen Job da?“, sind Fragen, die uns oft gestellt werden. Oder wir hören Sachen wie „wenn ich mir das leisten könnte, würde ich das auch machen!“
Eine solche Reise kann man auf viele verschiedene Arten unternehmen und die Kostenspanne ist immens. Ist man schnell unterwegs, fliegt im Akkord von Kontinent zu Kontinent, lässt sich nur im Taxi herumchauffieren, nächtigt in Luxushotels, isst nur in Restaurants und grast alle touristischen Attraktionen ab, kann es schnell teuer werden.
Wir haben dagegen vor, die Welt langsam zu erkunden. In Ecuador bleiben wir mindestens ein paar Monate. Distanzen bis etwa 15 Kilometer am Tag legen wir gerne zu Fuss zurück und für grössere Entfernungen nutzen wir öffentliche Verkehrsmittel. Unser Essen bereiten wir in der Regel selber zu und wir übernachten meistens in günstigen Airbnb-Unterkünften, wo wir eine Küche nutzen können. Hier in Pomasqui, wo wir unseren ehrenamtlichen Dienst leisten, können wir günstig in einem kleinen Häuschen auf dem Grundstück der Stiftung wohnen.
So geben wir unterwegs deutlich weniger aus, als uns das Leben in der Schweiz kosten würde. Die Ausrede „wenn ich mir das leisten könnte, würde ich das auch machen“ lassen wir nicht gelten und wir sind in diesem Blog radikal transparent mit unseren Ausgaben, Einnahmen und anderen finanziellen Aspekten, um zu beweisen, dass unser Unterfangen für die allermeisten Menschen, von denen wir diese Ausrede hörten, auch zu bewerkstelligen wäre.
Im Bericht über unseren finanziellen Masterplan zeigte ich auf, dass wir dank der passiven Einnahmen aus unseren Aktieninvestments rund 1’100 Franken pro Monat ausgeben können. Diese 1’100 Franken fliessen voraussichtlich bis ans Ende unseres Lebens in unsere Tasche, ohne dass wir dafür arbeiten müssen. Geben wir also künftig weniger als 1’100 Franken pro Monat aus, können wir heute als 30-Jährige aufhören, für Geld zu arbeiten, und unsere Rente geniessen.
Dieser Betrag dient uns deshalb als Richtlinie, wie viel Geld wir pro Monat ausgeben wollen.
Ausgaben Januar 2020
Jetzt ist ein Monat vergangen, seit wir die Schweiz Richtung Südamerika verlassen haben.
Am 3. Januar sind wir mit dem Zug nach Narbonne gefahren. Dort haben wir übernachtet, um am nächsten Tag nach Madrid weiterzufahren. In Madrid übernachteten wir zwei Mal. Am 6. Januar flogen wir von Madrid nach Quito. In Quito blieben wir drei Wochen, um eine Spanisch-Schule zu besuchen. Und seit einer Woche sind wir nun in Pomasqui, etwas nördlich von Quito, wo wir mindestens drei Monate bleiben werden, um uns ehrenamtlich zu engagieren.
Ist es uns in unserem ersten Monat gelungen, unsere Ausgaben unter 1’100 Franken zu halten?
Kurze Antwort: Nein.
Und unsere Ausgaben in diesem Monat wären noch deutlich höher gewesen, hätten wir die Zugfahrt nach Madrid, den Flug nach Quito und die Spanisch-Schule nicht schon vergangenes Jahr bezahlt. Diese drei Punkte haben wir schon 2019 verbucht.
Insgesamt haben wir im vergangen Monat 1’484.89 Franken ausgegeben.
Budgetiert hatten wir etwas mehr als 1’100 Franken, nämlich 1’236 Franken. Somit lagen wir mit unseren effektiven Ausgeben etwas mehr als 20% über dem angepeilten Budget.
Die effektiven Ausgaben von 1’484.89 Franken teilen sich auf folgende Kategorien auf:
Budgetiert hatten wir pro Kategorie wie folgt:
Wohnen: 394.79 Franken (budgetiert: 200 Franken)
Eine Nacht in Narbonne für 83.90 Franken, zwei Nächte in Madrid für 97.69 Franken und drei Wochen in einem Airbnb in Quito für 213.20 Franken (eigenes Zimmer und Bad im Apartment von José; Küche und Wohnzimmer wurden gemeinsam genutzt).
Die Abweichung zum Budget ist hier ziemlich gross. Es war uns aber wichtig, dass die Hotels in Narbonne und Madrid jeweils in Bahnhofsnähe waren und dass wir in Quito zu Fuss zur Spanisch-Schule gehen konnten. Deswegen haben wir den Mehrbetrag in Kauf genommen.
Essen: 309.97 Franken (budgetiert: 100 Franken)
Hier ist sowohl die absolute als auch prozentuale Abweichung zum Budget von allen Kategorien am grössten. Es dauerte in Quito eine Weile, bis wir begriffen, dass die Lebensmittel im Supermarkt deutlich teurer sind als auf den Märkten. Auch wenn wir unser Essen jeweils selber zubereiteten, waren die Ausgaben doch unerwartet hoch. Bei uns in der Schweiz oder in Deutschland ist das ja umgekehrt und man zahlt auf Wochenmärkten und in kleinen Läden eher einen Aufpreis – nicht hier. Wir werden es im Februar noch einmal mit einem Budget von 100 Franken versuchen.
Mobilität: 1.65 Franken (budgetiert: 50 Franken)
In Quito waren wir nur zu Fuss unterwegs. Die 1.65 Franken repräsentieren unsere Busfahren von Quito nach Pomasqui – einmal mit Rückweg und einmal einfach (für zwei Personen). Busfahren ist hier sehr günstig. Eine Fahrt kostet in der Regel 25 Cents pro Person.
Die 50 Franken haben wir einfach so pauschal in unserem Budget. Wir werden sehen, wie es hier im Februar aussieht.
Spenden: 100 Franken (budgetiert: 100 Franken)
50 Franken für unser Patenkind Renata hier in Pomasqui und 50 Franken für unsere guten Freunde Oli und Pati.
Diese Spenden werden wir voraussichtlich so beibehalten. Früher waren unsere Geldspenden grösser – jetzt wollen wir eher unsere Zeit spenden.
Versicherungen: 429.30 Franken (budgetiert: 430 Franken)
Unsere obligatorische Krankenkasse in der Schweiz (je 214.65 Franken). Wir hatten eigentlich geplant, die Krankenkasse in der Schweiz zu kündigen und uns einer etwas günstigeren internationalen Versicherung anzuschliessen. Unsere schweizerische Krankenkasse hat unsere Kündigung aber leider abgelehnt, da wir vorerst keinen neuen Wohnsitz im Ausland begründen. Die obligatorische Krankenkasse sollte Notfälle gemäss Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) auch im Ausland ausreichend abdecken und wir sind genügend versichert. Da die Versicherung ziemlich teuer ist, hoffen wir, dass wir wenigstens die Prämienverbilligung für Anika geltend machen können.
Auf jeden Fall ist es nur eine temporäre Lösung, mit der wir noch nicht wirklich zufrieden sind. Im Moment haben wir allerdings nicht besonders grosse Lust, uns weiter damit zu befassen.
Was uns im Moment noch fehlt, ist eine Privathaftpflichtversicherung. Unsere schweizerische Versicherung haben wir gekündigt – wir wollen aber wieder eine Haftpflichtversicherung abschliessen. Leider haben wir derzeit noch nichts Überzeugendes gefunden. Für Weltreisende aus Deutschland wären die Haftpflicht Helden eine sehr gute Lösung – diese Versicherung können wir jedoch nicht abschliessen, da wir in der Schweiz wohnten und nicht in Deutschland.
Aktivitäten: 6.18 Franken (budgetiert: 50 Franken)
Für Freizeitaktivitäten haben wir pauschal 50 Franken budgetiert. Im Januar sind dafür nur 6.18 Franken angefallen – wir mussten unsere Spanisch-Lehrerin zu einem Eis einladen, weil wir beim Kartenspielen verloren hatten.
Internet und Handy: 77.71 Franken (budgetiert: 56 Franken)
Anikas schweizerischer Vertrag für 46 Franken und meiner für 22 Franken. Zusätzlich eine ecuadorianische Prepaid-SIM-Karte des Anbieters Claro für 5 US-Dollar und eine Aufladung für 5 US-Dollar (1.5 GB Daten mit 30 Tagen Gültigkeit).
Meinen Schweizer Mobile-Vertrag hatte ich eigentlich gekündigt per Ende Jahr – dies hat aber leider nicht richtig geklappt. Am 4. Februar läuft er aber definitiv aus. Anikas Vertrag können wir erst per Oktober 2020 kündigen.
Reisen: 99.57 Franken (budgetiert: 200 Franken)
Pauschales Budget für grössere Ausflüge. Solche haben wir im Januar noch keine unternommen und so sind hier nur ein Teil der Impfungen in der Schweiz (84.85 Franken), der Airport-Express-Bus in Madrid (5 Euro pro Person) und der Bus vom Flughafen Quito in die Stadt (2 US-Dollar pro Person) angefallen.
Anderes: 65.72 Franken (budgetiert: 50 Franken)
Alles, das in keine der anderen Kategorien passt. Zum Beispiel Reinigungsmittel für meine Kontaktlinsen, ein neues scharfes Messer für unsere Küche in Pomasqui, Kosten für öffentliche Toiletten, Spenden an Strassenmusiker oder Kontoführungsgebühren.
Ausblick Februar 2020
Jetzt sind wir in Pomasqui angekommen und wir rechnen damit, dass der Februar günstiger wird als der Januar.
Budgetiert haben wir Ausgaben von 1’051 Franken:
Das Februar-Budget ist damit ziemlich ähnlich wie dasjenige des Vormonats. Nur die voraussichtlichen Wohnkosten und das Budget für grössere Ausflüge haben wir von jeweils 200 Franken auf 100 Franken reduziert.
Damit peilen wir nun zum ersten Mal einen Monat mit Ausgaben unter 1’100 Franken an. Halten wir das Budget ein und fühlen wir uns damit wohl, könnten wir unser Leben so weiterführen, ohne je wieder arbeiten zu müssen.
Ein Leben ohne aktives Erwerbseinkommen ist aber auch für uns ziemlich unwahrscheinlich. Schliesslich sind wir 30-jährig und in der Blüte unseres Lebens! Nichtsdestotrotz ist es ein sehr gutes Gefühl, zu wissen, dass wir unsere voraussichtlichen Lebenskosten mit unseren passiven Einkünften abdecken können. Es ist sehr befreiend und erlaubt uns, unser Leben genau so zu gestalten, wie es uns gefällt. Wir können genau die Arbeit machen, die uns gefällt, und es spielt überhaupt keine Rolle, ob wir dafür bezahlt werden oder nicht.
Wir werden weiterhin Geld verdienen. Zum Beispiel werde ich ab Februar mindestens bis April wieder für meinen ehemaligen Arbeitgeber in der Schweiz tätig sein. Als Software-Entwickler brauche ich dafür nichts weiter als einen Laptop und Internet. Die Arbeit hat mir in der Schweiz immer Spass gemacht, aber sie nahm einen zu grossen Teil meines Lebens ein.
Jetzt leben wir in Südamerika, können uns vormittags ehrenamtlich in den Projekten der Stiftung SEMBRES engagieren und nachmittags oder an den Wochenenden arbeite ich für meinen Schweizer Arbeitgeber. Wenn wir ab Mai so weiterleben, wie wir es für die nächsten drei Monate geplant haben, würde ich mit einem 30-Prozent-Pensum in weniger als einem halben Jahr so viel Geld verdienen, wie wir für das ganze Jahr benötigen würden. Die 1’100 Franken, die unser Aktienportfolio jeden Monat abwirft, müssten wir dann nicht einmal anfassen. Das ist die Kraft von Geo-Arbitrage.
Ich bin überglücklich, hat sich mein Arbeitgeber auf mein Angebot eingelassen, aus dem Ausland für sie weiterzuarbeiten. Es ist aber sicher nicht nur Goodwill – ich arbeite seit elf Jahren für sie (ist also mein einziger Arbeitgeber bisher) und sie wissen, was sie von mir erwarten können und was nicht. Ohne unser finanzielles Polster („FU-Money“), wäre es für mich trotzdem sicher viel schwieriger gewesen, zu kündigen und den Deal vorzuschlagen.
Jetzt haben wir „den Fünfer und das Weggli“, wie wir in der Schweiz sagen. Wir leben genau das Leben, das wir uns wünschen, ich darf weiterhin an den Projekten in der Schweiz weiterarbeiten und wir müssen bis auf Weiteres unser Erspartes nicht belasten.
Welche „Fünfer-und-Weggli-Situation“ könntest du dir selber kreieren, wenn du genügend „FU-Money“ angespart hättest? Wie viel FU-Money bräuchtest du und wie lange müsstest du dafür sparen?
Finde ich grossartig, dass ihr trotz eurem eigenen sparsamen Lebensstil und Einkommen weiterhin an andere denkt und spendet! Hut ab.
Vielen Dank, Michi. 🙂
Im Rahmen unserer Einführung in die Projekte der Stiftung haben wir letzten Donnerstag ein halbes Dutzend Familien mit Patenschaften in Pomasqui besucht. Einige hatten kaum genug zu essen, arbeiteten für 1$ Stundenlohn oder wohnten zu sechst in einer dunklen Baracke mit Wellblechdach, feuchtem Betonboden und vielen Fliegen (bei einer Familie traf dies alles zu). Ich war schon vorher überzeugt, dass die 50 Franken für die Schulbildung unseres Patenkindes eine gute Investition sind – die finanzielle Situation vieler Familien hier war aber noch schlechter, als ich erwartet hatte. Die Patenschaft abzugeben, ist also auf keinen Fall eine Option.
Wenn Oli und Pati ihre Ausbildung beendet haben, kommt ihr Einsatz auch den ärmsten Menschen unseres Planeten zu Gute. Die Unterstützung für sie möchten wir deshalb möglichst auch nicht weiter reduzieren.