Wie im letzten Beitrag angekündigt, erhielten wir in der ersten Woche eine Einführung in alle Projekte der Stiftung:

Fazit vorweg: Der Job als Kindergärtner ist ganz schön anstrengend, heiliges Kanonenrohr!

Aber der Reihe nach:

Montag: Aufklärungsprojekte Umwelt

Auf dem Grundstück werden in diversen Gewächshäusern und Gärten Gemüse und anderes Grünzeug angepflanzt.1 Ausserdem gibt es einen Lehrpfad mit verschiedenen Stationen, um Schulklassen über Themen wie Wiederaufforstung, Biodiversität, Erosion oder erneuerbare Energien aufzuklären.

Nach einer Führung über das Grundstück durften wir uns direkt selber die Hände schmutzig machen. Gemüse säen war angesagt. In der Hoffnung, auch etwas von der Ernte abzubekommen, habe ich Rucola ohne Ende in die Erde geballert. Was gibt es besseres als den würzigen Kreuzblütler?!

Anschliessend galt es, ein paar abgestorbene Pflanzen aus einem der Aussenbeete zu entfernen. Sie hatten die kräftige Äquatorsonne und das trockene Klima leider nicht überstanden.

Wer kann sich noch an die lustige Anekdote von Anikas Schrei in Australien, der auch nach zwei Jahren noch in meinen Ohren hallt, erinnen? Es gab hier ein kleines Déjá-vu. Dieses Mal war es keine Spinne, die sie erschreckte. Stattdessen grinste sie ein Skorpion an, als sie eine tote Pflanze aus der Erde hob – ohne Handschuhe.

Dienstag: Recyclingprojekt MIRS

Im Rahmen des Recyclingprojekts werden wiederverwertbare Materialien wie Karton, Glas oder Plastikverpackungen in Pomasqui und den benachbarten Dörfern eingesammelt, sortiert und weiterverkauft.

Ich durfte an diesem Vormittag José und Abel auf ihrer Tour begleiten, um den Abfall einzusammeln. Aber was heisst schon „Abfall“. One man’s trash is another man’s treasure. Ein Kilogramm Karton kann die Stiftung beispielsweise für 10 Cents weiterverkaufen.

Unsere dritte Station war eine Fabrik, in welcher Strassenlaternen hergestellt werden. In perfektem Spanisch fragte ich Abel: «Tienen mucho?», und wollte damit fragen, ob sie viel Material haben, das wir mitnehmen werden. «Ne, geht so – Durchschnitt.», erwiderte er in Spanisch. Ich habe keine Ahnung, ob meine Frage richtig war, ob er sie falsch verstanden hat oder ich seine Antwort. Auf jeden Fall haben wir hier unseren Lastwagen in der folgenden Stunde bis zum Rand und darüber hinaus mit über anderthalb Tonnen Karton und Plastik beladen. „Durchschnitt“ sieht für mich anders aus!

Zurück im Lager wurde alles abgeladen und begonnen, die Materialien zu sortieren und zu bündeln.

Mittwoch und Freitag: die beiden Kindergärten

Am Mittwoch und Freitag besuchten wir die beiden Kindergärten der Stiftung.

Ich weiss nicht genau, wann Anika zum letzten Mal in Europa in einem Kindergarten war, aber bei mir ist es etwa 25 Jahre her. Ich weiss also nicht, wie zutreffend meine Erinnerung an unsere Kindergärten ist. Wir hatten auf jeden Fall beide den Eindruck, dass die Kinder hier viel, viel offener auf Fremde zugingen. Als Vierjähriger traute ich mich kaum, einem Fremden die Hand zu geben – hier stürmten sie auf uns zu, um uns zu umarmen.

Nach einem kurzen Rundgang kamen wir beide je in eine Gruppe, um die jeweilige Kindergärtnerin zu „unterstützen“. Die Kindergärten sind allerdings eher eine Schule als ein Kindergarten. Ich lernte am Mittwoch beispielsweise die Zahl 4 und am Freitag die Zahl 9. Wurde aber auch Zeit.

In den Spielpausen zwischen den Unterrichtseinheiten kamen wir ganz schön ausser Puste und auch die Zeit im Klassenzimmer als unterstützende Erzieher ist ziemlich anstrengend. In einer Ecke wird gestritten, da drüben Knete gegessen, und wenn ein Kind auf Toilette muss, müssen plötzlich alle. Für mich als Software-Entwickler, der sich bei der Arbeit am liebsten von allen äusseren Einflüssen komplett abschottet, um sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, war das ein ziemlich krasser Gegensatz! Die Zeit im Kindergarten hat Spass gemacht – für zwei Tage. Ich habe allergrössten Respekt für alle, die das jeden Tag machen können, ohne nach einer Woche auszubrennen!

Donnerstag: Kinderpatenschaften

Die besonders arme Bevölkerungsschicht Pomasquis kann sich bei der Stiftung um eine Patenschaft bewerben, die es den Kindern ermöglicht, eine Schule zu besuchen. Derzeit werden rund 200 Patenkinder durch Schweizer Paten unterstützt. Auch wir haben seit knapp zwei Jahren ein Patenkind.

Da ich vergangenes Jahr in der Schweiz half, einige administrative Prozesse in diesem Projekt zu automatisieren, kannte ich es schon relativ gut und war sehr gespannt, wie es vor Ort wirklich um die Dinge steht.

So konnten wir am Donnerstag mit Saskia, der Sozialarbeiterin, einige Familien besuchen. Wir besuchten einige Familien, die sich neu um eine Patenschaft beworben hatten, und auch einige, die seit mehreren Jahren finanzielle Unterstützung empfingen. Wir hatten uns in den letzten Wochen natürlich schon daran gewöhnt, dass der Ausbaustandard der Häuser nicht dem in der Schweiz entspricht – wie einige der Familien hier leben, ist aber schon krass. Gleich bei der ersten Familie, die wir besuchten, dachte ich eine halbe Stunde lang, wir unterhalten uns gerade im Wellblechschuppen hinter ihrem Haus. Erst als wir ihr „Haus“ besichtigten, um ihre Angaben über die Wohnsituation zu verifizieren, dämmerte es mir, dass hier tatsächlich jemand lebte. Und zwar nicht nur jemand. Diese Familie lebte zu sechst in einem dunklen Einraumschuppen mit Wellblechdach und zwei Betten. Der unebene Betonboden war feucht und es wimmelte von Fliegen.

Fazit nach der Einführungswoche

Nachdem wir alle Projekte für einen Tag kennenlernen durften, konnten wir uns entscheiden, in welchem Projekt wir uns in den nächsten Monaten engagieren wollen.

Wir hatten das Gefühl, dass wir im Umwelt- und Recyclingprojekt voraussichtlich den grössten Beitrag leisten können, und entschieden uns deshalb für diese Projekte. Seit ein paar Monaten sind für diese Projekte zwei junge Umweltingenieure in unserem Alter verantwortlich, die viele Ideen haben, bei welchen wir sie unterstützen können.

Das grosse Ziel, das über allem steht, ist die wirtschaftliche Eigenständigkeit des Recyclingprojekts MIRS. Im Moment ist es noch zu etwa 15% von Spenden abhängig.

In der Woche nach der Einführung haben wir hauptsächlich kleinere Unterhaltsarbeiten auf dem Grundstück durchgeführt, diverse Pflanzen gesät oder umgetopft, Bewässerungsanlagen repariert und wiederverwertbare Materialien sortiert. Und: die kleinen Welpen gestreichelt, die in den letzten zwei Wochen auch kräftig gewachsen sind!

1 „Bilde einen Satz ausschliesslich mit Nomen, die mit ‚G‘ beginnen“: Check!