Kennst du das auch? Jahr für Jahr arbeiten wir auf die nächste Gehaltserhöhung hin – fest im Glauben, dass sie unser Leben verbessert – und dann ändert sich … nichts!
Zumindest nichts Positives. Kaum sind zwei oder drei Monate vergangen, haben wir unsere Ausgaben an das höhere Einkommen angepasst und uns auch schon wieder daran gewöhnt.
Statt ein besseres Leben, haben wir nur grössere finanzielle Verpflichtungen vorzuweisen.
So funktionieren wir Menschen nun mal. Jahr für Jahr tappen wir aufs Neue in diese zwei Fallen. Und wir haben sogar einen Namen für sie.
Falle Nummer 1: Das Parkinsonsche Gesetz
Das Parkinsonsche Gesetz wird meistens auf die Arbeitswelt bezogen und es besagt, dass sich die Dauer, die für eine bestimmte Arbeit benötigt wird, jeweils auf die zur Verfügung stehende Zeit ausdehnt.
Ganz egal, ob die Arbeit auch viel schneller zu erledigen wäre: in der Regel braucht sie so viel Zeit, wie sie brauchen darf.
Dieses Gesetz lässt sich auch auf unsere persönlichen Finanzen anwenden: wir geben fast automatisch so viel aus, wie wir verdienen, und bei jeder Gehaltserhöhung werden die Ausgaben an das neue Einkommen angepasst.
Wir könnten nach einer Gehaltserhöhung zum Beispiel in eine grössere Wohnung ziehen. Irgend jemand hat ja mal gesagt, dass man für die Miete ein Drittel des Bruttoeinkommens ausgeben soll. Oder legt diese heilige Regel nur den Maximalbetrag fest und man darf auch günstiger wohnen? Ach egal! Wir haben uns die schicke 150-Quadratmeter-Wohnung mit Seeblick schliesslich verdient – hart erarbeitet!
Und im Jahr darauf merken wir dann, dass wir nun schon seit drei Jahren das gleiche Auto fahren. Höchste Zeit für ein Upgrade!
Und so weiter, und so fort …
Das wäre ja erstmal alles auch gar kein Problem – wenn uns all das auch das langfristige Glück verschaffen würde, das wir uns davon versprechen.
Und hier kommt die Falle Nummer 2 ins Spiel:
Falle Nummer 2: Die Hedonistische Adaption
Für ein paar Wochen oder Monate können wir uns an der neuen Wohnung oder am neuen Auto erfreuen, doch bald kehrt wieder Normalität ein. Schon nach relativ kurzer Zeit sind wir wieder bei unserem ursprünglichen Glückslevel angelangt.
Dieses Phänomen wird «Hedonistische Adaption» oder auch «Hedonistische Tretmühle» genannt und es funktioniert ebenfalls in der umgekehrten Richtung: auch nach einem negativen Lebensereignis tendieren wir wieder zu unserem vorherigen Glücksniveau zurück.
Nehmen wir an, meine fiktiven Freunde «Kim» und «Andrea» sind heute genau gleich glücklich. Wenn Kim nun diese Woche im Lotto gewinnt und Andrea gleichzeitig einen schweren Unfall hat und gelähmt wird, dann sind aller Wahrscheinlichkeit nach beide bald wieder etwa gleich glücklich, wie sie zuvor waren.1
Für Andrea sind das gute Nachrichten. Für Kim dagegen nicht besonders. Und auch für uns törichten Narren, die wir unsere Ausgaben mit der letzten Lohnerhöhung parallel erhöht haben, ist das eher ungünstig. Alles, was wir langfristig davon zu haben scheinen, sind höhere Rechnungen und damit mehr Druck, das Einkommenslevel zu halten.
Das ist vielleicht noch kein Problem, wenn du jung bist – ab 50 sieht es aber offenbar etwas anders aus. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele Herrschaften in etwa diesem Alter ich schon gehört habe, über ihre ach so schlimme Situation zu klagen. Plötzlich bemerken sie, dass ihre Ersparnisse kaum für ein paar Monate reichen würden, falls sie ihren Job verlieren – und je näher man ans Rentenalter rückt, umso schwieriger wird es bekanntlich, eine Stelle zu finden.
«Dude!? Was zum Teufel hast du die letzten 30 Jahre gemacht?? Wo ist der ganze Zaster hin, den du in den letzten drei Jahrzehnten verdient hast?!», frage ich die Leute dann jeweils. In Gedanken zumindest.
Wenn du zwischen deinem zwanzigsten und fünfzigsten Lebensjahr jeden Monat nur 1’200 Franken deines Einkommens zur Seite legst und investierst, dann hast du mit 50 eine verdammte (inflationsbereinigte) Million auf deinem Konto!2 Gemäss Bundesamt für Statistik spart ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt 1’428 Franken pro Monat. Wo sind denn die ganzen Millionäre? Jaja, ich weiss, das Einkommen ist ungerecht verteilt und ein Normalverdiener kann niemals 1’200 oder 1’428 Franken sparen – die Superreichen verfälschen die Statistik.
Vielleicht glaubte auch dein bisheriges Ich, dass du diesen Betrag niemals sparen könntest. Jetzt kennst du aber die zwei Fallen und überlegst bei der nächsten Gehaltserhöhung zwei Mal, was du mit dem Mehrbetrag anstellst.
Im nächsten Abschnitt gibt’s ein paar Tipps, wie du die Fallen erfolgreich umschiffst und nicht in die oben geschilderte Situation der unglücklichen 50-Jährigen gerätst – oder wie du dich daraus befreist, falls du dich in einer ähnlichen Situation wiederfindest.
Wie du den Fallen entgehst
Entkopple deine Ausgaben von deinem Einkommen
Weigere dich bei der nächsten Gehaltserhöhung einfach, die Kosten deines Lifestyles zu erhöhen. Frage dich ganz unabhängig von deinem Einkommen, was dein Leben kosten soll und wie viel Geld du wofür ausgeben möchtest.
Du darfst weniger als ein Drittel deines Einkommens für die Miete ausgeben. Wenn du ein Haus kaufst, musst du nicht das grösste und teuerste Haus kaufen, das dir die Bank gewährt. Wenn du keine fünf Zimmer benötigst, dann darfst du auch in eine 2-Zimmer-Wohnung ziehen.
Hier in Ecuador kommt nur kaltes Wasser aus der Dusche und aus dem Hahn, es ist nicht trinkbar und wir haben in einem halben Jahr mehr Strom- und Wasserausfälle erlebt als in unserem ganzen bisherigen Leben. Dass wir hier noch keinen einzigen Geschirrspüler erblickt haben, versteht sich von selbst. Im Moment habe ich nicht einmal einen Kühlschrank! Wenn wir in Deutschland oder in der Schweiz die allerbilligste verfügbare Wohnung beziehen, dann ist diese trotzdem in einem besseren Zustand als die Behausungen, die wir in den letzten Monaten hier bewohnten. Waren wir deswegen hier auch nur ein kleines bisschen weniger glücklich? Scheisse, nein!
Ich will dir nicht vorschreiben oder empfehlen, wofür du wieviel Geld ausgeben sollst. Ich würde dir nur raten, abzuwägen, wie viel dir ein bestimmter Ausgabenposten wirklich wert ist. Wenn du wirklich gern einen guten Wein trinkst, dann go for it. Wenn dich schöne Uhren und Designermöbel so faszinieren, dass du sie den ganzen Tag betrachten und streicheln möchtest, dann gönn dir das.
Wenn du aber feststellst, dass du für etwas in der Vergangenheit einfach viel Geld ausgegeben hast, ohne gross darüber nachzudenken oder um jemandem zu imponieren, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, diesen Ausgabenpunkt zu überdenken.
Wie sieht dein perfekter Tag aus?
Frage dich, wie ein perfekter Tag in deinem Leben abläuft. Wenn du ehrlich zu dir bist, dann lautet deine Antwort auf die Frage wahrscheinlich nicht:
«Mein Wecker holt mich um halb sechs aus meinen schönen Träumen. Dann stelle ich mich kurz unter die Dusche. Für Frühstück habe ich keine Zeit, denn ich muss mit meinem überteuerten BMW schnell zur Arbeit, die mir eigentlich auch gar nicht mehr soo viel Spass macht. Nach dem kostspieligen Mittagessen im Restaurant bin ich meistens zu müde, um mich noch konzentrieren zu können und ich warte nur, bis ich endlich im Stau nach Hause fahren kann. Meinen Sohn sehe ich heute nicht mehr, der ist ja schon im Bett. Da ich nach dem anstrengenden Tag auf der Arbeit keinen Bock mehr habe, noch etwas zu kochen, gebe ich lieber ein Vermögen für den Lieferservice aus, bevor ich auf der Couch vor dem Fernseher einschlafe.»
Auch wenn sich wohl kaum jemand bewusst für so einen Alltag entscheiden würde, ist er Realität für viele. Der Grund dafür sind oft die zwei beschriebenen Fallen.
Wenn wir uns eimal die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, dann spielen unser Haus oder unser Auto in der Regel nicht die Hauptrolle in unseren Gedanken. Wenn wir jedoch nicht darüber nachdenken, dann geben wir oft den Dingen den Vortritt, die uns nicht nachhaltig glücklich machen. Wir sollten unser Leben aber darauf ausrichten, dass wir möglichst viele perfekte Tage erleben. Vielleicht wollen wir dafür auch auf die eine oder andere Ausgabe verzichten, die wir bisher fast automatisch getätigt haben.
Ich stelle mir die Frage nach meinem perfekten Tag oft und ich lande mit der Antwort meistens in meiner Kindheit oder Jugend. Geld spielte damals keine Rolle und wir hatten trotzdem immer alles, was wir brauchten. Wir haben viel Zeit mit unseren Freunden und Geschwistern verbracht, täglich mindestens etwas Neues gelernt und viel gespielt.
Genau das ist es auch, was für mich heute ein glückliches Leben ausmacht:
- Gute Beziehungen: Die Beziehungen zu Anika, meiner Familie und meinen Freunden haben oberste Priorität. Kaum etwas ist wertvoller, als Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen, sie zu kennen und zu wissen, dass man sich jederzeit auf sie verlassen kann. Für immer weit weg von der Schweiz oder Deutschland zu leben, kommt deswegen nicht wirklich infrage. Ein paar Monate im Jahr müssen aber schon drin liegen – wegen des nächsten Punktes.
- Lernen und Weiterentwicklung: Als Kind liebte ich das Gefühl, wenn ich etwas das erste Mal geschafft hatte. Und waren es noch so scheinbar kleine Dinge. Noch heute kann ich mich genau an den Moment erinnern, als ich das erste Mal freihändig Fahrrad fuhr – was für ein Gefühl! Davon zehre ich noch heute. 😉
Als ich älter wurde, wurden diese Erlebnisse immer seltener und die Komfortzone immer komfortabler. Das hat mich nicht unbedingt glücklicher gemacht. Seit ein paar Jahren ist nun längerer Aufenthalt in meiner Komfortzone deshalb wieder tabu. Ab und zu bisschen die Füsse hochlegen und sich erholen ist in Ordnung, aber: das Leben beginnt ausserhalb der Komfortzone! - Spiel, Spass und Sport: Dieser Punkt ist wahrscheinlich selbsterklärend – wer spielt schon nicht gerne! Und Sport ist eine perfekte Tätigkeit in meinem Leben, weil sie viele positive Punkte vereint: ist gut für die Gesundheit, bei gemeinschaftlichem Sport kommt die Beziehungs-Komponente dazu und wenn man alleine Sport treibt, kann man bestens über seinen perfekten Tag nachdenken.
- Arbeit: Dieser Punkt überrascht dich jetzt vielleicht. Ein Leben ohne Arbeit wäre auch kein Leben. Es macht Spass, Dinge zu erschaffen und Mehrwert für andere Leute zu generieren. Aber: ich möchte nur noch Arbeit ausführen, die mir auch genug Spass machen würde, wenn ich nicht dafür bezahlt würde. Und neben der Arbeit muss noch genug Platz für die anderen wichtigen Lebensbereiche sein.
Wenn ein Tag diesen Punkten Rechnung trägt, dann ist er für mich perfekt. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass davon nichts viel Geld kosten muss. Es ist in meinem perfekten Tag – entschuldige die vulgäre Sprache ein letztes Mal – scheissegal, ob mein Badezimmer jetzt über die schönen Fliesen verfügt, die doppelt so teuer sind wie die billigsten, oder nicht. Badezimmer hin oder her, zur Not tut es auch ein Wasserkanister hinter dem Haus!
Und wie sieht dein perfekter Tag aus? Schreib’s in die Kommentare!
1 Das ist vielleicht bei zwei einzelnen Personen nicht immer der Fall. Im Durchschnitt aber schon. Du kannst dir also auch einfach 100’000 Kims und 100’000 Andreas vorstellen, wenn du möchtest.
2 Bei einer durchschnittlichen realen (inflationsbereinigten) Jahresrendite von 5 %, wie sie ein globales Aktienportfolio in den letzten 120 Jahren erwirtschaftet hat.
Hoi Boy
toller Beitrag.
Mir geht das Thema auch im Kopf herum. Was macht uns Freude und das Leben lebenswert und hat einen Sinn ?
Was aber wenn sich nichts erfüllt was unser Wille ist ?
Dann gibts doch auch noch die Bedürfnispyramide von Maslow. Ich habe den Eindruck, dass ein sehr grosser Anteil der Menschheit dieser entspricht. An der Spitze der Pyramide die Selbstverwirklichung, die sehr oft in der Macht gesucht wird.
Ich freue mich sehr auf Deine Rückkehr und ganz liebe Grüsse und toi, toi, toi …
Papi