Gopfertori! Also so hätten wir uns das auch nicht vorgestellt, als wir im Januar unsere Koffer packten.

Statt von spannenden Abenteuern, schönen Reiseerlebnissen und Freiheit, waren die vergangenen Wochen geprägt von immer stärkeren Einschränkungen, nerviger Bürokratie und schmelzendem Finanzpolster. Wobei hier mit „schmelzen“ nicht „gemächliches Auftauen“ gemeint ist, sondern eher, als wären tausende kleine Teufelchen mit ordentlich Dynamit am Werk.

Aktuelle Lage in Ecuador

Ecuador hat nach heutigem Stand 111 Corona-Infektionen und zwei Todesfälle zu verzeichnen. Bei über 17 Millionen Einwohnern ist das wohl noch nicht viel. Aber man hat erkannt, wie schnell die Pandemie sich in Europa entwickelte, und hat hier deshalb frühzeitig radikale Massnahmen eingeleitet.

Die Schulen und Kindergärten sind wie in vielen Ländern Europas auch bereits seit rund einer Woche geschlossen und seit heute gilt nun eine fast absolute Ausgehsperre. Aus dem Haus darf man eigentlich nur noch zum Einkaufen und die Nutzung privater Fahrzeuge ist, ausser in Notfällen, untersagt. In Supermärkten dürfen sich maximal 40 Personen gleichzeitig aufhalten und es gibt Polizeikontrollen.

In vielen Behörden wird seit heute bis mindestens Ende April nicht mehr gearbeitet.

Wartet! Unser Visum?!

Bei der Einreise nach Ecuador bekommen wir Europäer eine Aufenthaltsbewilligung von 90 Tagen. Wir erhielten unseren Stempel am 6. Januar. Die 90 Tage werden also más o menos am 6. April vorbei sein.

Unser Plan war, uns während dieser 90 Tage ein Volunteering-Visum zu besorgen, das ein Jahr gültig ist. Dummerweise hatten wir uns in der Schweiz nicht besonders gut vorbereitet und uns war deshalb nicht klar, dass wir für den Antrag dieses Visums einen Strafregisterauszug aus der Schweiz benötigten (mit Apostille und selbstverständlich im Original und nicht als digitaler Scan). Als wir dies erfuhren, war bereits Anfang Februar.

Wir bestellten die Auszüge also noch am gleichen Tag online. Als Lieferfrist waren 16 Tage angegeben. Hierbei handelt es sich aber natürlich um die Lieferfrist innerhalb der Schweiz und nicht nach Ecuador. Für den Versand nach Ecuador konnten wir noch einmal drei Wochen addieren – im besten Fall.

Eine kurze Kopfrechnung machte uns schon etwas skeptisch, ob das reichen könnte. Aber egal, lass es uns versuchen!

Mein Strafregisterauszug lag nur eine Woche nach der Bestellung im Briefkasten meiner Eltern. Von Anikas Auszug war aber keine Spur. Eine weitere Woche verging, da wurden wir langsam ungeduldig. Eine kurze Nachfrage lieferte Klarheit: der Antrag für Anikas Auszug wurde übersehen. Obwohl (oder weil?) beide Anträge im gleichen Umschlag gesendet wurden. Egal. Sie versprachen, Anikas Auszug schnellstmöglich zu liefern und auch dieser landete noch in der gleichen Woche bei meinen Eltern zu Hause.

In der Zwischenzeit hatte ich über die Schweizer Botschaft in Quito abgeklärt, ob es eine Möglichkeit gebe, die Auszüge direkt an sie zu senden, da wir sehr unsicher waren, ob sie bei uns überhaupt ankamen (wir haben nicht einmal einen Briefkasten hier, Briefe werden einfach ohne Umschlag in den Zaun gesteckt). Die Möglichkeit gab es glücklicherweise! Meine Eltern brauchten die Auszüge bloss nach Bern zu senden. Viel schneller als über die normale Post trafen sie am vergangenen Donnerstag kostenlos bei der Botschaft in Quito ein.

Also, alles perfekt. Jetzt hatten wir noch gut drei Wochen Zeit, um uns das Visum zu besorgen. Im Normalfall sollte das gut reichen.

In der Zwischenzeit wurden wegen des Corona-Virus immer mehr Landesgrenzen geschlossen und Flüge gestrichen. Vor zwei Wochen hatten wir noch viele Möglichkeiten, falls es mit dem Volunteering-Visum nicht rechtzeitig klappte: wir konnten in die Schweiz zurückfliegen, unsere Reise einfach in einem anderen Land Südamerikas fortsetzen, oder ein Touristen-Visum für weitere 90 Tage beantragen, das man einfacher bekommt als ein Volunteering-Visum. Jetzt hingegen hatten wir plötzlich nur noch die letzte Option. In ein anderes südamerikanisches Land zu gehen, wird immer schwieriger und wir könnten zwar theoretisch immer noch in die Schweiz fliegen, aber die Preise für die Flüge vor dem 6. April sind mittlerweile viel zu hoch – falls sie denn überhaupt stattfinden.

Vergangenes Wochenende kündigte die Regierung Ecuadors ab Dienstag (heute) den fast vollständigen Lockdown Ecuadors an. Ab Dienstag würde es kaum noch möglich sein, das Haus wegen eines Visums zu verlassen – wenn denn die zuständigen Behörden überhaupt arbeiteten.

Die Aussicht, in etwas mehr als zwei Wochen Ecuador nicht verlassen zu können und ohne Visum illegal in Ecuador zu sein, bereitete uns schon etwas Muffensausen! Und am Montag war voraussichtlich unsere letzte Chance, die Sache zu regeln.

So fuhren wir am Montag Morgen nach Quito zur Botschaft, um unsere Strafregisterauszüge abzuholen. Verflixt, die mussten auch noch übersetzt werden. Kostete auch nochmal 40 Dollar pro Auszug. Total kosteten die beiden Auszüge mit Apostille und Übersetzung dann also bereits 160 Franken. Hoffentlich lohnt sich das auch!

Nach einiger Wartezeit wegen der Übersetzung konnten wir schliesslich endlich weiter zum Migrationsamt. Zum Glück war dieses nur zehn Gehminuten entfernt.

Lange Schlange auf dem Gehsteig vor dem Amt – wir waren wohl nicht die Einzigen, die noch ein Visum brauchten. Als wir die Vordersten in der Schlange waren, wurde uns mitgeteilt, dass man bei diesem Migrationsamt keine Volunteering-Visa beantragen könne. Hierfür müsse man in den Süden zum grösseren Amt.

Ai ai ai… Dieses lag fast eine Stunde Autofahrt entfernt – einmal durch die ganze Stadt (und Quito ist lang). Also gut. Auf geht’s.

Ein paar mal falsch abbiegen gehörte natürlich auch zur Fahrt, aber irgendwann kamen wir da an. Zum Glück warteten hier nicht sooo viele Leute.

Dafür erwarteten uns schlechte Nachrichten: es würde hier ab sofort bis mindestens Ende April niemand mehr arbeiten und man könne keine Volunteering-Visa mehr beantragen. Wer ein Volunteering-Visum wolle, müsse die 90-Tage-Verlängerung als Tourist beantragen und mit dem Volunteering-Visum fortfahren, wenn die Ämter wieder geöffnet werden. Und: die Verlängerung um weitere 90 Tage müsse bei dem Amt beantragt werden, wo wir gerade herkamen.

Also, wieder eine Stunde zurückfahren und wieder anstellen!

Glücklicherweise hatte es mittlerweile weniger Leute. Als wir an der Reihe waren, mussten wir den Satz, dass wir eine Verlängerung um 90 Tage benötigten, nicht einmal ganz aussprechen, bevor wir zu einem Schalter geschickt wurden. Dort wurden unsere Pässe gescannt und wir wurden angewiesen, am 6. April den Betrag von je 133.33 $ zu bezahlen und ein Formular für die Verlängerung einzureichen. Nicht einmal fünf Minuten dauerte der ganze Spass!

Da wir keine Bestätigung in Form eines Stempels oder so erhielten, hoffen wir jetzt einfach mal, dass wir alles richtig verstanden haben und uns am 6. April, wenn wir das Formular einreichen, nicht doch unerwarteterweise illegal in Ecuador aufhalten.

Schlussendlich waren wir rund fünf Stunden dafür unterwegs und einigermassen erschöpft. Aber egal. Hauptsache das war jetzt erstmal geregelt!

Weggesprengtes Finanzpolster

Parallel zu den Auswirkungen auf unser aller alltägliches Leben, macht Corona auch vor der Börse nicht Halt. Klar, eine grössere Korrektur oder gar ein Crash war fällig und es überrascht wahrscheinlich niemanden, dass die Kurse letztlich eingebrochen sind. Es ist aber bemerkenswert, wie schnell die Kurse in den letzten Wochen gefallen sind. Was wir da beobachten durften, war der schnellste Übergang in einen Bärenmarkt aller Zeiten.

Konnten wir Ende November 2019 ein Gesamtvermögen von 338’000 Franken ausweisen, liegen wir heute noch bei 251’000 Franken. Also 87’000 Franken weniger – wobei 50’000 Franken davon alleine den Kursverlusten der vergangenen zwei Wochen zuzuschreiben sind. Von 87’000 Franken könnten wir bei unseren aktuellen Ausgaben rund 8 Jahre leben.

Was heisst das nun für uns?

Nun, unter dem Strich ändert sich nichts. Wir besitzen immer noch den gleichen Anteil an der Weltwirtschaft und wir hatten nicht vor, dieses Jahr unsere Ersparnisse anzutasten (und sie so weiter zu belasten). Ein sehr geringes Teilzeitpensum reicht weiterhin, um unsere Ausgaben zu decken. Die Zeit wird zeigen, wie sich die nächsten Monate und Jahre entwickeln. Wenn wir uns eine komplett unbezahlte Auszeit von ein paar Monaten nehmen möchten, können wir das immer noch jederzeit.

Wir machen genau so weiter wie bisher und was wir nicht zum Leben benötigen, investieren wir regelmässig in unser Portfolio. Wir warten nicht ab, wie sich die Kurse entwickeln, und versuchen nicht, den Markt zu timen.

Wir halten uns emotionslos an unseren Plan und unser Zielverhältnis zwischen risikoarmem und -behaftetem Teil (10% zu 90%). Niemand weiss, wie tief die Kurse noch fallen, wie lange sie tief bleiben und wann wieder neue Höchststände erreicht werden. Wie tief sie auch fallen mögen und wie lange es auch dauern mag, bis wieder neue Hochs erreicht werden – geschehen ist es bis jetzt noch jedes Mal.

Wie geht unser Alltag weiter?

Bis auf Weiteres geniessen wir hier unser Leben auf dem grossen, grünen Grundstück der Stiftung. Wir arbeiten ein paar Stunden pro Tag im Garten und den Rest des Tages verbringen wir so, wie es uns gerade passt. Nur verlassen können wir das Grundstück im Moment halt nicht. 🙂

Die Angestellten der Stiftung arbeiten vorerst von zu Hause aus oder gar nicht, falls dies nicht möglich ist. Leider verlassen uns auch die beiden deutschen Volontäre diese Woche, da sie von ihrer deutschen Organisation nach Hause geholt werden. Auch der Zivildienstleistende aus der Schweiz, der erst vor drei Wochen angekommen ist und eigentlich fünf Monate hier bleiben sollte, wurde nach Hause in die Schweiz beordert.

Da wir uns auf eigene Faust hier aufhalten, kann uns niemand in die Schweiz oder nach Deutschland bestellen. Passt uns gerade auch ganz gut so.

Im Moment heisst es also: das Beste aus der Situation machen, die Füsse stillhalten und hoffen, dass bald wieder Normalität einkehrt.

Haltet die Ohren steif und bleibt gesund!